doppelstab“ 13. März 1978

 

Eine Chance für Liestal und die Region?

Von Felix Feigenwinter

Der Worte scheinen genug gewechselt: Sozusagen während des ganzen Monats Februar diskutierten in der Liestaler Tageszeitung „BZ“ Baselbieterinnen und Baselbieter über die Frage: „Ist das alte Postgebäude in Liestal erhaltenswert?“ Ausgelöst wurde diese Auseinandersetzung durch einen Leserbrief eines prominenten Einwohners zu einer Stellungnahme des Gemeinderates im Amtlichen Mitteilungsblatt der Stadtgemeinde. Dort hatte die Exekutive die Auffassung vertreten, das alte Postgebäude beim Liestaler Bahnhof sollte beseitigt werden. Diese gemeinderätliche Meinung ist nicht so neu. Sie hatte sich aus der vorerst naheliegenden und vernünftigen Vorstellung gebildet, dass das ausgediente Haus nach dem Umzug der Post anno 1975 in den Neubau schräg gegenüber beseitigt würde, wodurch – so hofften die Gemeindeväter – die längst angestrebte grossräumige und verkehrsordnende Neugestaltung des Bahnhofplatzes hätte in Angriff genommen werden können. U.a. wurde und wird nach einer Begradigung der sich an der Post mit einer scharfen Biegung vorbeiziehenden Durchgangsstrasse gerufen; aber auch mehr Parkplätze und ein übersichtlicher Busbahnhof stehen auf der Wunschliste.

Überraschung aus Bern

Um sich Klarheit über die Absichten der PTT zu verschaffen, hat der Liestaler Gemeinderat seit September 1975 wiederholt bei der Kreispostdirektion in Basel und bei der PTT-Generaldirektion in Bern interveniert – mit dem überraschenden Ergebnis, dass (mit sprichwörtlicher bernischer Schnelligkeit) im Dezember 1977 ein Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege im Landschäftler Kantonshauptort eintraf, das bereits zwei Jahre zuvor erstellt worden war. Die Perplexität im Liestaler Rathaus war perfekt. Denn das Gutachten hielt fest, dass die alte Post „als Baudenkmal von regionaler und nationaler Bedeutung“ eingestuft werde, weshalb ihr Abbruch zu verhindern sei. Und die Generaldirektion der PTT liess keinen Zweifel daran offen, dass sie das Verdikt der Denkmalpflege ernst nehme.

Schützenhilfe für den Gemeinderat

Der Gemeinderat beharrte auf seiner Ansicht, dass eine Sanierung des Bahnhofplatzes den Abbruch des nun „plötzlich“ zum historischen Baudenkmal erhobenen Postgebäudes bedinge. (Allerdings war das Haus schon in der 1974 im Basler Birkhäuser-Verlag herausgegebenen Band II „Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft“ als ein „hervorragendes Werk der Neurenaissance“ gewürdigt worden, und Aufrufe zur Erhaltung dieses Werks des Architekten Wilhelm Auer, der auch das Bundeshaus in Bern entworfen hat, erschienen bereits 1974 und 1975).

Das Verdikt aus Bern musste in der Kantonshauptstadt fast als Provokation, wenn nicht gar als Schikane empfunden werden. Im Amtlichen Mitteilungsblatt rief der Gemeinderat die Bevölkerung – vorerst eher unverbindlich – zur Meinungsäusserung auf. Die erste Reaktion erfolgte anfangs Februar durch den pensionierten Obergerichtspräsidenten, langjährigen „Post-Nachbarn“ (im gegenüberliegenden Gerichtsgebäude) und früheren freisinnigen Regierungsratskandidaten Dr. Paul Gysin. Seine in einem ausführlichen Leserbrief geschilderten Ansichten schienen die gemeinderätliche Position zu festigen.

Diese gewichtige Schützenhilfe, vorgetragen als engagierte persönliche Meinungsäusserung, wirkte umso bedeutungsvoller, als Paul Gysin seit jeher als äusserst kunstverständiger Mann bekannt ist, dessen persönliche Freundschaft mit einem Maler und nicht zuletzt auch seine intensive Beziehung zur Kunst (inklusive Architektur) keinen Zweifel an seiner Kulturfreundlichkeit offenlassen. Daher musste sein vernichtendes Urteil über dieses Bauwerk, das er unverblümt als „hässlich“ bezeichnete, als ernsthafte Kampfansage gegenüber der Beurteilung durch die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege betrachtet werden. Er machte auch darauf aufmerksam, dass in dieser Frage „Experten“ - lies: Kenner der Baukunst – getrost gegensätzlicher Meinung sein können.

Leserbriefschreiber mehrheitlich für Stehenlassen

In der nun folgenden Leserdiskussion, die sich über fast den ganzen Monat Februar erstreckte und in der zweiten März-Woche ihre Fortsetzung fand, wurde dann aber mit sehr deutlichem Mehr die Auffassung vertreten, das alte Postgebäuder sei erhaltenswert.

Dabei wurde auch mit Nutzungsvorschlägen nicht gespart: Sie reichten von der Anregung, die im Parterre des gegenüberliegenden Gerichtsgebäudes unter prekärer Platznot leidende Kantonsbibliothek im funktionslos gewordenen Baudenkmal unterzubringen über die Empfehlung, das im alten Regierungsgebäude ebenfalls eher behelfsmässig eingerichtete Kantonsmuseum zu verlegen bis zur Idee, in der alten Post ein Liestaler Stadtmuseum einzurichten. Auch der „doppelstab“/Baselbieter Anzeiger“ hat (vor drei Wochen) eine Idee beigesteuert – nämlich den Vorschlag, in dem verwaisten und renovationsbedürftigen Neurenaissance-Gebäude endlich den schon jahrzehntealten Wunsch nach einem basellandschaftlichen Kunstmuseum (mit der Ausstellung der durch den kantonalen Kunstkredit erworbenen Kunstschätze) zu verwirklichen.

Auf diese Empfehlung ist inzwischen der Vizepräsident der Basellandschaftlichen Kunstvereinigung, Rudolf Suter, in einem in der „Basellandschaftlichen Zeitung“ vom 9. März veröffentlichten Diskussionsbeitrag eingegangen. Suter unterstützt die Idee, die alte Post nicht nur als historisches Baudenkmal zu erhalten, sondern auch zu einem für den ganzen Kanton bedeutsamen kulturellen Zentrum werden zu lassen.

Nun machen ein Dutzend Leserbriefe und der Vorschlag eines „doppelstab“-Journalisten zwar noch keine Volksmeinung. Aber eine solche macht, das steht fest, auch nicht die Auffassung der PTT-Generaldirektion, die sich wie gesagt auf ein Gutachten der Denkmalpflege stützt. Die PTT wird gut daran tun, auch möglichst die Meinung der Liestaler Bevölkerung zu berücksichtigen. Der Gemeinderat könnte da hilfreich einspringen: Dr. Paul Gysin hatte bereits zur Eröffnung der Leserdiskussion anfangs Februar angeregt, dass unter der Aegide der Gemeinderäte eine öffentliche Versammlung stattfinden solle, die das Thema „alte Post“ zum Gegenstand haben müsste.

Eine solche Versammlung könnte mindestens Aufschluss darüber geben, ob der in der Leserbriefdiskussion aufgezeigte Trend zum „Stehenlassen“ auch in einem breiteren Forum zum Ausdruck kommt, oder ob Paul Gysins Vermutung zutrifft, wonach „von fünf Einwohnern Liestals vier für den Abbruch sind“.