doppelstab“ 9. Juli 1980


Baselbieter Geister

Von Felix Feigenwinter


Zur Sommerzeit machen sie wieder vermehrt die Runde, die Meldungen über Phänomene, die angeblich da und dort gesichtet werden und wohlige Gänsehaut bewirken, manchmal auch abgrundtiefen Schrecken. Die in der „Saure-Gurken-Zeit“ mit Stoff meist nicht überhäuften Redaktoren schätzen Ungeheuer wie jenes vom Loch Ness seit Jahrzehnten als willkommene Spaltenfüller, und je länger desto lebhafter mischen sich (un)heimliche Besucher aus dem Weltall unter die traditionellen Gruselkandidaten, die von Frankensteins missratenen Kindern über den guten, alten Grafen Dracula bis zum wütenden King Kong reichen. Das Bedürfnis sehr vieler (wenn nicht gar aller) Menschen, den tagtäglich an der TV-Tagesschau vorgeführten „gewöhnlichen Schrecken“ mit erfundenem Horror wennmöglich zu überbieten und zu verdrängen, führen Psychologen und Mythenforscher zu interessanten Schlussfolgerungen. Über diese will ich hier nicht berichten. Anhand einiger Beispiele sei vielmehr daran erinnert, dass auch im vertrauten Baselbiet da und dort Vampire, Gespenster und andere unerklärliche Gestalten aufzutreten pflegen. Und wo sie's nicht mehr tun (möglicherweise, weil die Phantasie ernüchterter Zeitgenossen nicht mehr so blüht wie jene ihrer Ahnen), dort wurde ihr Andenken schriftlich oder/und zum Teil von Künstlerhand in Bildern der Nachwelt hinterlassen.


Sadistischer Jäger

Ein solches Kunstwerk ziert beispielsweise das alte Gemeindehäuschen im Oberbaselbieter Höhendorf Känerkinden, das man auf 554 Metern über Meer zwischen dem Homburger- und Diegtertal findet. Das Wandbild stammt von Walter Eglin, jenem Baselbieter Künstler, der das grosse Mosaik in der Eingangshalle des Kollegiengebäudes der Basler Universität geschaffen hat. Auf Eglins Känerkinder Sgraffito ist ein Geister-Jäger mit einem Jagdhorn abgebildet, in das er gerade bläst. Es illustriert die Sage vom „Hasenflüeli-Jäger“, eines schmächtigen, dürren Männleins, dessen sadistische Lust und Freude es gewesen sei, Füchse zu fangen, ihnen den Pelz vom Leib zu ziehen und sie wieder laufen zu lassen. Zur Strafe für sein frevelhaftes Tun habe er nach seinem Tod keine Ruhe gefunden. Sobald sich das Wetter ändere, zeige er sich beim „Hasenflüeli“, wo er den Füchsen nachjage. Im Dorf höre man dann seine hohe, kreischende Stimme und das Geheul der gequälten Füchse, das einem durch Mark und Bein dringe.

Unhold an der Schulhauswand

Geradezu als „Geisterparadies“ könnte man das Dorf Ziefen im Tal der hinteren Frenke bezeichnen. Auch hier zeugen öffentliche Kunstwerke vom lebendig gebliebenen Geister-Sagenschatz. So wird die Front des Ziefener Schulhauses durch ein grosses, von Ugo Cleis gemaltes Wandbild belebt, das den sogenannten „Räbholdebuur“ darstellt. Das sei, so berichtet die Sage, ein Unhold und Wucherer gewesen, der im Grab keine Ruhe gefunden habe. Er treibe heute noch, viele Jahre nach seinem Tod, bei der Rebhalde sein Unwesen. Vor Regenwetter und Gewitter rase er mit seinem schwerbeladenen Brückenwagen und zwei vorgespannten Schimmeln dem Rebhaldenweg entlang. Das Knallen seiner Peitsche höre man bis ins Dorf hinunter. Die Erscheinung soll freilich nur Sonntagskindern sichtbar sein.


Stutzanneli“ und „Ribihund“

Ein anderer, weitaus lieblicherer, wenn auch trauriger Geist, der die Ziefener Schulhauswand verschönert, ist das „Stutzanneli“, ein Hirtenmädchen, das seine Seelenruhe ebenfalls nicht gefunden hat. Oberhalb von Ziefen, so wird erzählt, stürzte es sich aus Gram über einen Felsen, weil eines seiner Schäflein tödlich verunglückt war. Noch heute soll die Seele des Mädchens büssend umherirren und zuweilen dem einen oder anderen Ziefener begegnen. 

Einen Dämon präsentiert hingegen ein Mosik von Walter Eglin: Den „Ribihund“, ein grimmiges, zähnefletschendes Tier, das einen Knaben angreift. Dieser Dämon soll ebenfalls ab und zu in der Umgebung Ziefens auftauchen und Unheil verkünden. 

Das wären nur einige Beispiele. Von solchen, teils ähnlichen, teils auch ganz anderen gespenstischen Erscheinungen aus zahlreichen Baselbieter Orten berichten die „Baselbieter Sagen“, eine 1976 von Paul Suter und Eduard Strübin neu herausgegebene Sammlung, die einen vielfältigen Einblick in die Sagenwelt der Landschaft Basel bietet. In einer der nächsten „doppelstab“-Ausgaben möchte ich von gespenstischen Vorkommnissen berichten, die im besagten Sagenbuch nicht erwähnt sind, und die von Beobachtern als „Spätfolge“ von historischen Begebenheiten verstanden wurden, die seinerzeit in Basel und Umgebung erhebliches Aufsehen erregten.