Soll sich die Schweiz „verdeutschen“?

Betrifft: Warum verkauft sich die Schweiz so schlecht; NZZ v. 10.12.12


Hans-Hermannn Tiedjes Schweiz-Analyse liefert eine Reihe scharfsinniger Erkenntnisse mitsamt Anregungen zur Überwindung der Krise. Die Quintessenz gipfelt im Satz: „Das Land sollte agieren und nicht immer nur reagieren.“ Der gute alte Friedrich Dürrenmatt legte einem seiner Protagonisten die Idee in den Mund, die Welt würde untergehen oder „verschweizern“. In seiner heiter-ironischen Vision schwang noch eine schöne Portion überlegener Weltbetrachtung aus selbstbewusster Schweizer Sicht mit, doch inzwischen ist ein neues Jahrtausend angebrochen, und wir Schweizer scheinen uns mit der Schreckensprognose vertraut machen zu müssen, dass unser Land langsam aber sicher zum Entwicklungsland verkommen könnte, sofern wir nicht energisch dagegen steuern. Tröstlich ist immerhin, dass Herr Tiedje die Schweiz neben Deutschland immer noch „für das beste Land der Welt“ hält und die Lage nicht als hoffnungslos einschätzt, vorausgesetzt, das offenbar unzeitgemäss gewordene schweizerische Understatement und defensive Feilschen um Sonderrechte mit Beharren auf überholtem Sonderfall-Status weiche einem offenen, offensiv-forschen Auftreten. Müsste sich die Schweiz also sozusagen „verdeutschen“, um sich international wieder besser durchsetzen zu können?

Felix Feigenwinter, Basel