"doppelstab" 10./11. April 1980


Kurz vor Ostern hat der Basler Regierungsrat beschlossen, die historischen Personen-Hallen des Badischen Bahnhofs zum Abbruch freizugeben. Das Amt für Denkmalpflege hatte beantragt, den 1911 bis 1913 erbauten Personenbahnhof unter Schutz zu stellen. Dies hat der Regierungsrat zwar grundsätzlich befürwortet, doch konnte er sich nicht dazu entschliessen, auch die längst restaurationsbedürftigen, unterhaltsaufwändigen Perronhallen zu schützen.

Flach statt nostalgisch

Von Felix Feigenwinter


Vor gut 74 Jahren, im Juni 1906, sieben Jahre vor der Inbetriebnahme des Basler Badischen Bahnhofs, mäkelte der badische Freiherr von Mentzingen in der zweiten Abgeordnetenkammer: "Haben Sie schon einen deutschen Bundesstaat gesehen, der einen Bahnhof für 45 Millionen in ein fremdes Land gebaut hat?" Die Frage hatte nur noch rhetorische Bedeutung, denn bereits am 24. März 1900 war zwischen der badischen Staatsbahn und dem Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ein Vertrag "betr. Verlegung des Personenbahnhofs der grossherzoglichen badischen Staatseisenbahn in Basel" abgeschlossen worden. Damals wusste freilich noch niemand, dass der später "zu den Sehenswürdigkeiten Basels und der Schweiz" gezählte neue Badische Bahnhof nicht nur die damals grösste Stationsanlage der Schweiz, sondern auch das teuerste Bauobjekt der badischen Bauverwaltung werden sollte. 1903 wurden die Bauarbeiten im Bereich des gesamten Rangiergeländes in Angriff genommen, und im Dezember 1905 konnte der neue Güterbahnhof dem Verkehr übergeben werden. Bis zur Eröffnung des "Millionengrabs im Ausland" (wie der Freiherr von Mentzingen den Personenbahnhof bezeichnete) verstrichen dann noch weitere acht Jahre. Die ursprünglich budgetierten Gesamtkosten von 7,5 Millionen Mark hatten sich mehr als verfünffacht, aber der Aufwand hatte sich offenbar doch gelohnt:

Anlässlich der Eröffnungsfeier vom 11. September 1913 wurde das neue Bauwerk "als eine der schönsten jemals errichteten Bahnbauten" bezeichnet. Und der badische staatsrechtliche Generaldirektor A. Roth schloss seine Rede mit dem Wunsch, der neue Bahnhof möge "die freundnachbarlichen Beziehungen des Deutschen Reiches und unserer engeren badischen Heimat zur Schweiz fördern und der altehrwürdigen, aber immer in neuer Kraft und Schönheit sich verjüngernden Stadt Basel zum Nutzen und zur Freude gereichen".

Auch wenn zwei Kriege die Beziehungen zwischen der badischen Nachbarschaft und Basel vorübergehend verdüstert hatten und der Bahnhof zwischen Rhein und Wiese sich während des Zweiten Weltkriegs als Spionagezentrale entpuppte - langfristig und auch in der Gegenwart hat sich die deutsche Anlage auf Basler Boden doch gemäss dem staatsrätlich-generaldirektorlichen Wunsch bewährt. Der grosse Bahnhofbetrieb im Kleinbasel prägt und belebt die Grenzstadt am Rheinknie in vielerlei Hinsicht: die über tausend Beamten, welche die Deutsche Bundesbahn in Basel beschäftigt; die scharenweise eintreffenden deutschen, holländischen, skandinavischen Touristen und Geschäftsreisenden; der lebhafte Verkehr der Grenzgänger; die täglich zwischen dem Badischen Bahnhof und Freiburg im Breisgau kontrollierend hin- und herpendelnden Basler Grenzpolizisten - das sind nur einige Beispiele.

Dass dieser Bahnhof an der Eröffnungsfeier 1913 als eine der schönsten jemals errichteten Bahnbauten bezeichnet worden ist, wäre noch vor wenigen Jahren beim Betrachter wohl mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis genommen worden, denn der Badische Bahnhof der Fünfziger-, Sechziger- und anfangs Siebzigerjahre wirkte ausgesprochen abgetakelt, ramponiert, düster, schmuddelig - kurzum: renovationsbedürftig. Inzwischen sind das Äussere, die Fassade samt dem Eingangsareal sowie die grosse Schalterhalle sorgfältig restauriert worden. Sie stellen wie einst ein ebenso imposantes wie schmuckes architektonisches Meisterwerk dar. Im Gegensatz dazu präsentieren sich die Perronhallen und die grosse Unterführung hinter dem Zollschalter in einem nach wie vor tristen, kahlen, verwahrlosten Zustand, Dass eine Renovation auch dieses Innenteils vorgesehen ist, wurde durch den Abbruch der drei hinteren der insgesamt fünf historischen hohen Hallenkonstruktionen mit den Glasüberdachungen in den vergangenen zwei Jahren sichtbar. Die drei beseitigten Gewölbe sind inzwischen durch niedere Flachdächer ersetzt worden. Die alten Perronhallen wurden seinerzeit für den Dampfbetrieb erbaut und erforderten einen sehr aufwändigen Unterhalt, während die modernen Flachdächer zweckmässig sind, aber stimmungslos wirken. Weil die Deutsche Bundesbahn auch in anderen Städten die alten Bahnsteighallen mit Einheits-Flachdächern auswechselt, fand es der Basler Regierungsrat offenbar unnötig, eine Restauration der noch verbliebenen beiden hohen Glasüberdachungen im Badischen Bahnhof zu erzwingen, was wohl eine baselstädtische Subvention zuhanden der Deutschen Bundesbahn erfordert hätte. Die nostalgische Hallen-Stimmung, die nach der geplanten Renovation der Perrons zweifellos einen besonderen Zauber vermittelt hätte, ist einer opportunistischen Haltung geopfert worden.