Zur baselstädtischen Volksabstimmung betreffend Beteiligung Basels am Atomkraftwerk Gösgen-Däniken im aargauischen Niederamt. Dieser Artikel erschien am 5. Februar 1974 im Basler "doppelstab"

Eine seltene Chance

Von Felix Feigenwinter


In zweieinhalb Wochen wird in Basel-Stadt über eine Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung Basels am Atomkraftwerk Gösgen-Däniken abgestimmt. Zum erstenmal können (durchs geplante A-Werk Kaiseraugst bereits betroffene) Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu einem wichtigen Aspekt der Frage "Atomkraftwerke" Stellung beziehen. Diese Chance sollte jede Stimmberechtigte und jeder Stimmberechtigter wahrnehmen - denn der Basler Volksentscheid vom 24. Februar 19974 fällt schwer ins Gewicht.


"doppelstab" auf der Seite der Opposition

Um es vorweg zu nehmen für jene, die es noch nicht wissen sollten: Der "doppelstab" ist als auflagestärkste "Zeitung für den Wirtschaftsraum Basel" der freien, pluralistischen Meinungsäusserung verpflichtet und wird daher gerne als Forum für kontradiktorische Auseinandersetzungen benützt. In der Diskussion über die komplexe Frage "Atomkraftwerke - ja oder nein?" steht er bewusst auf der Seite der Opposition. Das Problem "A-Werke" ist ein Thema, über das sich die Mitglieder des Redaktionskollegiums inklusive dem Delegierten des Verlags einig sind. Diese geschlossene Meinung äussert sich in zahlreichen engagierten Beiträgen, durch welche die "doppelstab"-Leserinnen und -Leser immer wieder mit Vorbehalten und Warnungen verantwortungsbewusster Naturwissenschaftler, Techniker und Planer konfrontiert worden sind. Die meisten dieser wichtigen Informationen wurden und werden von mächtigen Wirtschaftskreisen, die am A-Werk-Bau direkt interessiert sind, von offiziellen Experten, aber auch von Politikern systematisch ignoriert und wenn möglich "unterschlagen". Unser Kampf galt und gilt daher nicht zuletzt der demokratiefeindlichen Ignoranz und der Informationsverschleierung.

Unsere jahrelange Aufklärungsarbeit hat zwar (bisher) nicht zu verhindern vermocht, dass der Bau des A-Werks Kaiseraugst trotz heftiger Opposition aus der Bevölkerung vor seiner Verwirklichung zu stehen scheint - wohlverstanden, ohne dass die betroffenen Bewohner der dichtbesiedelten Region Basel je Gelegenheit gehabt hätten, über die folgenschwere Entscheidung mitzubestimmen!

Aber unser Einsatz hat sich trotzdem schon jetzt gelohnt:

Er förderte die demokratische Bewusstseinsbildung, half den Widerstand stärken und hat dazu beigetragen, dass ein wichtiger Entscheid in Sachen "Atomkraftwerke" nun doch vom baselstädtischen Stimmvolk gefällt werden kann.

Zwar - falls die Basler in zweieinhalb Wochen mehrheitlich "Nein" stimmen sollten (was zu hoffen ist), würde das Atomkraftwerk Gösgen-Däniken dennoch weitergebaut, und auch das Projekt Kaiseraugst könnte nicht sofort verhindert werden. Dennoch würde ein solcher Entscheid weit schwerer wiegen, als man aufgrund des Abstimmungsgegenstandes vielleicht vermuten könnte (Beteiligung Basels am Werk Gösgen mit im Maximum 40 Millionen Franken, verteilt auf die Jahre 1974 bis 1978). Die grossrätliche Kommissionsmehrheit formuliert es in ihrem knapp dreissigseitigen Bericht wie folgt:

"Eine Beteiligung Basels an der Gösgen-Däniken AG entwertet unsere parlamentarischen Vorstösse sowie die Einsprachen und Beschwerden der Behörden gegen das geplante Atomkraftwerk Kaiseraugsr derart, dass Basel-Stadt sich in Zukunft ohne regionalpolitischen und moralischen Rückhalt zur Frage der Atomkraftwerke am Rhein äussern müsste.

Praktisch bedeutet dies, dass die verbindlichen Äusserungen der Regierung und des Parlamentes,die vom Willen getragen waren, in der schweizerischen, französischen und deutschen Region die weitere Abklärung dringender Sicherheits- und Immissionsfragen abzuwarten, in der Region und im Ausland überhaupt nicht mehr ernstgenommen werden.

Diese Situation wird vor allem auch deswegen eintreten, weil sich praktisch alle Immissions- und Sicherheitsprobleme für den Standort Gösgen-Däniken in gleicher Weise ergeben wie bei den geplanten Standorten von Atomkraftwerken am Rhein."

Aus der Sicht der (übrigens in allen politischen Parteien vertretenen!) Gegnern von A-Werken in dichtbesiedelten Gebieten ist die Frage, ob sich Basel-Stadt am Werk Gösgen beteiligen soll, also in erster Linie eine grundsätzlich moralische. Damit die "doppelstab"-Leserinnen und -Leser in Basel-Stadt mit den Argumenten der Gegner vertraut werden können, veröffentlichen wir ab heute in einer speziellen, nur in Basel-Stadt verteilten Ausgabe die Meinungsäusserungen verschiedener Exponenten der Opposition, was infolge des bedenklichen Verschweigens des gegnerischen Standpunktes in den offiziellen regierungsrätlichen Erläuterungen für die Stimmbürger aus demokratischer Sicht dringend notwendig ist. Die Veröffentlichung von befürwortenden Artikeln im redaktionellen Teil lehnt unser Redaktionskollegium unter diesen Umständen bewusst ab. Der befürwortende Standpunkt kann in Leserbriefen sowie im Inseratenteil unserer Zeitung dargelegt werden.