"doppelstab" 2. Mai 1978:


Unter den 200 Grossräten, die am vorletzten Wochenende im Kanton Bern neu gewählt worden sind, befinden sich nur drei Volksvertreter aus dem Laufental. Dies zeigt deutlich, dass das Laufental, das geographisch und wirtschaftlich zur Region Basel gehört, im grossen Kanton Bern politisch eine sehr kleine Rolle spielt. Unter "ferner liefen" wurden die Laufentaler Resultate denn auch in den grossen Berner Zeitungen ("Berner Nachrichten", "Berner Tagblatt", "Bund") erwähnt. Umso interessierter zeigt man sich in der Nordwestschweiz am Wahlergebnis im Laufental - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Abstimmung zur "Laufental-Frage" am 18. Juni.


Test für den 18. Juni?

Von Felix Feigenwinter


Mitten in die lebhaft gewordene Auseinandersetzungen um die Zukunftsbewältigung des Laufentals platzten am 22./23. April die bernischen Kantonswahlen. Diese haben die Bevölkerung offensichtlich weniger beschäftigt als die Vorbereitung auf den weitaus ungewöhnlicheren Urnengang, der zwei Monate später (am 18. Juni) eine für die Zukunft des Laufentals viel bedeutungsvollere Weiche zu stellen vermag, als es die vergleichsweise routinehafte kantonalbernische Wähler-Befragung am vorletzten Wochenende tun konnte. So drohten diese Wahlen, zu anderen Zeiten politischer Höhepunkt der vierjährigen Legislaturperiode, im Schatten der Auseinandersetzungen rund um die Laufental-Frage zu verblassen. Und zwar trotz - oder wegen - des Bemühens der Parteien, das "heisse Eisen" der nötig gewordenen Neu-Konstituierung des Laufentals (innerhalb oder ausserhalb des bisherigen Kantons Bern) nicht ins Zentrum des Wahlkampfes zu stellen.


2 x CVP, 1 x FdP


Allerdings hat die Delegiertenversammlung der nach wie vor stärksten politischen Laufentaler Kraft, der Christlich-demokratischen Volkspartei (CVP), natürlich keineswegs zufällig noch vor den Kantonswahlen die Ja-Parole für die Abstimmung vom 18. Juni beschlossen. Die Christdemokraten hatten damit auf den Urnengang vom 22./23. April hin zur bisher hitzigsten Kontroverse in der Laufental-Frage klar Stellung bezogen: Sie distanzierten sich von den entschiedenen Bern-Treuen, die ein "Ja" am 18. Juni mit einem "Nein zu Bern" gleichsetzen, und schlugen sich zu den Sympathisanten und Befürwortern der "Einleitung des Anschlussverfahrens des Amtsbezirks Laufen an einen benachbarten Kanton". So hat ausgerechnet jene Partei, die sich dazu bekennt, die gebotenen Möglichkeiten zum Anschluss des Laufentals an einen anderen Kanton zu nützen, den (im übrigen recht flauen) Kampf um die Sitze ins Parlament des von ihr nicht bevorzugten Kantons Bern mit dem wahrscheinlich akzentuiertesten oder jedenfalls aktuellsten und spektakulärsten Wahlthema gewürzt. Das hat möglicherweise eine noch niedrigere Gesamt-Stimmbeteiligung als die registrierten 38,2 Prozent verhindert. Die Ansichten der drei christlichdemokratischen Grossrats-Kandidaten Friedrich Hof aus Laufen, Kurt Cueni aus Blauen und Rolf Gunti aus Laufen entsprachen der offiziellen CVP-Richtlinie.
 

Anders verhielt es sich bei den Freisinnigen. Die FdP schickte mit ihrem bewährten Spitzenkandidaten Rudolf Schmidlin aus Laufen zwar einen profilierten Befürworter eines Verbleibs bei Bern ins Rennen - einen Mann, von dem man wusste, und weiss, dass er am 18. Juni "Nein" stimmen wird. Aber die Meinungen der beiden anderen freisinnigen Kandidaten, Paul Aeschi aus Grellingen und Bruno Ehrsam aus Brislach, unterstrichen, dass die Ausklammerung der "Laufentaler Frage" bei den Freisinnigen im Wahlkampf nicht (nur) taktisches Kalkül, sondern Ausdruck einer wirklich vorhandenen pluralistischen Meinungsvielfalt war: Aeschi ist, anders als Schmidlin, Befürworter eines "Ja am 18. Juni", während sich Ehrsam vor den Wahlen noch ambivalent gab.
 

Einmal abgesehen davon, dass der traditionelle Status quo von zwei Laufentaler CVP-Sitzen und einem ebensolchen FdP-Mandat im Kantonsrat zu Bern für die Dauer der nächsten vier Jahre tatsächlich aufrechterhalten wird (und dies übrigens auch im Falle eines Anschlusses an einen anderen Kanton): Die Wahlergebnisse ergaben doch einige Überraschungen, sofern man die Geduld aufbringt, die vorliegenden Detailzahlen unter die Lupe zu nehmen.


Erstarkte SP

Vorerst: die Sozialdemokratische Partei, für welche die "Laufental-Frage" im Wahlkampf offiziell nicht existierte, hat - wie erwartet - keinen der Sitze erobern können. Ihre Liste, auf welcher die drei Kandidaten Benno Huber aus Zwingen, Norbert Koch aus Laufen und Gerhard Vögtlin aus Duggingen empfohlen worden sind, haben aber so viele Stimmen eingebracht, dass daraus ein Anstieg der SP-(Partei-)Stimmenanteils von 8,6 Prozent bei den letzten Wahlen (anno 1974) auf sage und schreibe 21,4 Prozent beim diesjährigen Urnengang resultierte. Diese enorme Verbesserung ist fast überall als Überraschung gewertet worden - obwohl eine Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Isopublic einen solchen Trend schon vor zwei Jahren angezeigt und gewissermassen angekündigt hatte. Die Sozialdemokraten wurden - auch im gegnerischen Lager - als "moralische Sieger" dieser Wahlen bezeichnet, obwohl ihnen die Erstarkung wie gesagt kein Mandat eingebracht hat.
 

Dem Zuwachs des SP-Stimmenanteils steht eine Verschlechterung der Stimmenanteile von CVP und FdP gegenüber. Während sich jene der CVP noch "im Rahmen hält" (1974: 5 738, l978: 4 849), dürfte jener der Freisinnigen alarmierende Wirkung haben (1974: 4 048, 1978: 2 504 - also annähernd die Hälfte weniger!)

Zwar haben die Freisinnigen ihrem Mandat gesichert - aber keineswegs so überlegen, wie das z.B. die "Basler Zeitung" noch vor den Wahlen (!) allzu früh hatte suggerieren wollen (grosse BaZ-Überschrift zwei Wochen vor den Wahlen: "Sicherer Sitz für FdP Laufental"). Vielmehr haben die Sozialdemokraten in nicht weniger als in fünf der insgesamt 13 Laufentaler Gemeinden bedeutend mehr Stimmen "gemacht" als die freisinnigen, und in Brislach, wo sich die SP vor vier Jahren einen Stimmenanteil von noch nicht einmal fünf Prozent holte, aber auch in Duggingen übertrafen sie sogar nicht nur die FdP. sondern auch die CVP.


Nötige Differenzierungen


Wie weit können die Wahlergebnisse als Test für den 18. Juni gelten? Wenn es nach der "Nordschweiz" ginge - eine Zeitung, welche die CVP-Politik und ihre Exponenten zur Geltung bringt - , "so dürfte der Ausgang der Grossratswahlen im Laufental gewisse Parteistrategen im gegnerischen politischen Lager Anlass zur Selbstbesinnung und zur Neuüberdenkung ihrer Parteipolitik sein". Demgegenüber stand im Konkurrenzblatt "Volksfreund", das vor allem den Freisinnigen als Sprachorgan dient, zu lesen: "Spekulationen in bezug auf den 18. Juni sind schon deshalb fragwürdig, weil die Stimmbeteiligung nur 38,2 Prozent betrug. Wenn es um den Verbleib bei Bern oder die Einleitung des Anschlussverfahrens geht, werden gewiss rund doppelt so viele Stimmberechtigte an die Urnen gehen."