"doppelstab"  17. Dezember 1976 - Verbesserung der Anziehungskraft der Stadt Basel als Wohnort

Alle störenden Einflüsse zurückgedämmt?

Von Felix Feigenwinter

 

"Der Regierungsrat wird alles unternehmen, dass es wieder begehrt wird, in der Stadt zu wohnen", so versprach die baselstädtische Exekutive in ihren "Hauptzielen eines Stadtkantons" auf Seite 11 der Broschüre "Basel 75". Und sie verriet auch, dass sie die Schwierigkeiten, die dabei zu überwinden sind, keineswegs unerschätzt, sondern im Gegenteil auch gleich auszumerzen beabsichtigt: "Die Probleme sind von sehr vielen Seiten in Angriff zu nehmen", so die verheissungsvolle Absicht, "wobei man sich nicht davon beirren darf, dass einzelne Massnahmen - ausschliesslich für sich allein betrachtet - vielleicht an den berühmten Tropfen auf den heissen Stein erinnern könnten". Und: "Werden alle noch vorhandenen Möglichkeiten zur Förderung eines guten Wohnungsangebotes zielstrebig ausgeschöpft und alle störenden Einflüsse soweit nur möglich zurückgedämmt, lässt sich die Anziehungskraft der Stadt als Wohnort wieder entscheidend erhöhen."

Von der bunten Theorie zum grauen Alltag! Wie sieht es denn konkret aus, wenn sich zum Beispiel ein vor Jahren zwangsläufig aufs Land geflüchtetes jüngeres Ehepaar mit Kind entschliesst, den Lockrufen aus der vor wenigen Jahren an flotten Kleinfamilien und Steuerzahlern noch schändlich desinteressierten Stadt am Rheinknie zu folgen? Nachdem die private Wohnungsvermittlung auch im Jahr 1976 nicht zum gewünschten Ziel - das heisst zu einer kinderfreundlichen Wohnung irgendwo in der Altstadt - geführt hat, wendet es sich vertrauensvoll an die baselstädtische "Zentralstelle für staatlichen Liegenschaftsverkehr" am Fischmarkt 10. Die Hoffnung, sich dort für eine Wohnung gleich am Schalter anmelden zu können, erweist sich freilich als Unterschätzung der amtlichen Vorliebe für Formalitäten: Dem Ehemann wird vorerst ein Zettel mit der aufgestempelten Adresse dieser Zentralstelle ausgehändigt, an die er nun - so erfährt er - zuhause ein Gesuch zu schreiben hat. Diese Anweisung wird befolgt, und der Brief, der alle nötigen Angaben über die an der wohnlichen Stadt interessierten Kleinfamilie enthält, geht per Post an das Amt. Wer nun glaubt, damit laufe das Wohnungsgesuch, irrt: Denn wenige Tage danach erhält unsere Kleinfamilie im basellandschaftlichen Vorort von der besagten städtischen Zentralstelle ein "Erhebungsformular" zugestellt, das auszufüllen den Wohnungssuchern nahegelegt wird. Unter "allgemeinen Hinweisen" liest die ob so viel feierlich-amtlicher Umstandskrämerei bereits einigermassen erschöpfte Kleinfamilie, die eigentlich, obwohl nur drei Personen, eine Vier-Zimmer-Wohnung mieten will, mit zunehmender Frustration: "Pro Zimmer wird eine Person gerechnet" und: "Ihr Mietgesuch ist für die Dauer eines Jahres unverbindlich vorgemerkt, sofern Sie uns dieses Formular umgehend ausgefüllt zurücksenden. Nach Ablauf dieser Frist ist Ihr Mietgesuch zu erneuern".

Allmählich melden sich Zweifel, ob die in "Basel 75" beschworene "Zurückdämmung aller störenden Einflüsse" zur Erhöhung der "Anziehungskraft der Stadt als Wohnort" auch bereits im Verfahren zur Wohnungsvermittlung durch die Zentralstelle für staatlichen Liegenschaftsverkehr Anwendung gefunden hat. Oder doch? Tatsächlich: Die auf dem besagten Formular ebenfalls aufgedruckte Vorschrift, wonach "der Gesuchssteller" - um überhaupt in den Genuss staatlicher Wohnungsvermittlung zu kommen - "einen zweijährigen Wohnsitz in Basel" nachzuweisen hat, ist mit schwarzer Tinte dick durchgestrichen! Das Umdenken scheint sich doch auch in Amtsstuben langsam zwar, doch - hoffen wir es - stetig abzuzeichnen...