Basler Nachrichten" - 30. Oktober 1961:

Mit dem Polizeiauto durchs Baselbiet

Von Felix Feigenwinter

"Melden Sie sich morgen früh um halb acht auf dem Liestaler Polizeiposten." So die Einladung von Polizeikommandant Gürtler. Ich werde von Wachtmeister Rudin und Polizeisoldat Roth zum Patrouillenwagen geführt. Das ist ein weisses Personenauto mit blauer Lampe auf dem Dach. Im Gepäckraum sind Funkkasten, Blinklaternen, Handlampen, Signaltafeln, Lautsprecher untergebracht - alles Utensilien für den "Einsatz". Der Lautsprecher wird zur Verkehrsregelung bei öffentlichen Anlässen oder bei der Überwachung von Schwertransporten benützt, zum Beispiel, wenn Industriekessel, Baumaschinen, Hochspannungsmasten befördert werden müssen, also Güter, deren Dimensionen die Verkehrssicherheit gefährden können. Die Landschäftler Polizei hat täglich mindestens drei solcher Spezialtransporte zu begleiten. Diese Transporte (mit Spezialbewilligungen) kommen meistens aus dem Rheinhafen oder aus den Industrieunternehmen des untern Kantonteils.

Ein verbotenes Schild

Wir rollen auf der Rheinstrasse. Der Kilometerzeiger steht auf 40. "Auf diese Weise können wir am besten beobachten", kommentiert Wachtmeister Rudin. Die Polizeipatrouille hat nicht nur den Strassenverkehr zu überwachen. Der Wagen hält bei einer Tankstelle. Polizeisoldat Roth hat ein reglementswidrig aufgestelltes Reklameschild entdeckt. Die Frau, welche die Tankstelle bedient, entfernt das Schild nach kurzer Diskussion. Der Regierungsratsbeschluss über das Reklamewesen verbietet Reklameschriften, welche die Strassenbenützer ablenken, erklärt der Wachmeister.

Auf der Weiterfahrt erfahre ich, dass der Verkehrsabteilung der Kantonspolizei zwei Patrouillenwagen und fünf Motorräder zur Verfügung stehen. Zwei weitere Autos sollen angeschafft werden. Patrouillenfahrten werden täglich zwischen halb sechs Uhr morgens und halb neun Uhr abends durchgeführt. Während dieser Zeit sind ständig mindestens zwei Wagen oder Motorräder unterwegs. An Samstagen gibt es eine Nachtpatrouille, die ihren Dienst bis am Sonntagmorgen um halb ein Uhr versieht.

Gegenwärtig gehören zehn Polizisten zur Verkehrsabteilung. Am Arbeitsprogramm gemessen, ist dies zu wenig. Die Verkehrspolizei hat nämlich auch manche techmischen Arbeiten zu erledigen. So behandelt sie Gesuche für Strassenaufbrüche oder Gutachten für den Strassenbau. Viel Zeit beanspruchen die verschiedenen technischen Kontrollen an Fahrzeugen und vor allem auch die Verkehrserziehung. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Verkehrsunterricht der Schulkinder gewidmet.

Kehrt vor dem aargauischen Hoheitsgebiet

Wir sind an der aargauischen Kantonsgrenze bei Augst angelangt. Polizeisoldat Roth wendet den Wagen, denn im Kanton Aargau hat die Baselbieter Polizei nichts zu suchen. Sie darf zwar auf "fremdem" Gebiet fahren, besitzt dort aber keine Kompetenzen. Zurück in die Hard. Dort herrscht reger Verkehr. Wir parkieren am Waldrand und steigen aus.

Ein Personenwagen überholt eine Kolonne und überfährt dabei den Vorsortierungs-Streifen. Polizeisoldat Roth trillert mit seiner Pfeife und winkt den Fahrer an den Strassenrand. "Haben Sie pressant, guter Mann? Was sehen Sie dort auf der Strasse?" fragt er den Verkehrssünder. Der sieht zwar die Vorsortierung, bestreitet aber zuerst, den Streifen überfahren zu haben. Schliesslich gibt er sein Verschulden zu und bedankt sich sogar für die polizeiliche Belehrung: "Es tut einem immer wieder gut, hin und wieder von der Polizei herausgenommen zu werden.Man lernt dabei." Der Polizeisoldat lässt es bei einer Verwarnung bewenden. "Mit Anstand erreicht man am meisten. Auch wir Polizisten dürfen die Nerven nicht verlieren", ergänzt der Wachtmeister.

 

"Sie kriegen nächstens einen Brief..."

Wieder ertönt der schrille Ton der Polizeipfeife. Wieder ist ein Verkehrssünder ertappt worden.

Diesmal ist das Verschulden krass. Der Automobilist hat beim Überholen nicht nur die Vorsortierung, sondern auch gleich noch die Sicherheitslinie überfahren. In diesem Fall gibt es kein Erbarmen. "Sie kriegen nächstens einen Brief vom Statthalteramt ins Haus", bekommt der Automobilist zu hören. - "Bei Gegenverkehr wäre das Verschulden noch grösser gewesen und wir hätten dem Sünder den Fahrausweis sofort abgenommen", sagt Wachtmeister Rudin.

Ein schwerer Lastwagen mit Anhänger wird angehalten. Während der Wachtmeister in den Ausweispapieren blättert, umkreist der Polizeisoldat aufmerksam den Camion. Er entdeckt einen Riss im Pneu und macht den Chauffeur darauf aufmerksam. Am Anhänger hängt die Blache herunter und verdeckt das Blinklicht. Das müsse während der Fahrt geschehen sein, meint der Chaffeur. Polizeisoldat Roth hilft beim Hochbinden der Blache. Die anhand des Lieferscheins vorgenommene Gewichtskontrolle fällt befriedigend aus: Lastwagen und Anhänger sind nicht überladen. Auch das Kontrollheft, das die geleisteten Arbeitsstunden des Chauffeurs festhält, ist in Ordnung. Der Chauffeur darf weiterfahren.

Meist ist der Geschwindigkeitsmesser schuld

Oberwilerstrasse bei Binningen. "Jetzt werden Sie an einer Geschwindigkeitskontrolle teilnehmen. Passen Sie gut auf: Irgendwo am Strassenrand steht ein getarnter Kontrollposten", höre ich. Ich spähe angestrengt, kann aber nichts bemerken. "Schon vorbei", lacht Polizist Roth. Er lenkt den Wagen zurück und bremst vor einem harmlos aussehenden Personenwagen, der am Strassenrand steht. Im Wagen sitzen zwei Polizisten am Messgerät. Das Gerät ist mit zwei Photozellen verbunden, die in einem Abstand von vierzig Metern am Strassenrand aufgestellt sind. Wenn das Messgerät eine Übertretung der Geschwindigkeitsgrenze angibt, funkt der getarnte Posten eine Meldung an einen zweiten, vierhundert Meter entfernten Posten, und der hält dann den Wagen an.

Flüchten nützt nichts: alle Polizeinummern der vorbeibrausenden Autos werden registriert. Ich gehe zum "Anhalteposten". Polizeisoldat Frey vom Polizeiposten Binningen hat eben eine Funkmeldung bekommen und lässt seinen Kollegen einen Kastenwagen anhalten. Der hat die Geschwindigkeitsgrenze von 60 km/h um 7 km/h überschritten. (Höchstens 63 km/h würden toleriert.) Es gibt einen Rapport, was der Chauffeur schuldbewusst und ruhig über sich ergehen lässt. "Dieser Chaffeur ist eine löbliche Ausnahme", sagt der Polizeisoldat aus Binningen; "meistens gehen die Automobilisten bei einer Geschwindigkeitsübertretung dem Geschwindigkeitsmesser oder weiss ich wem die Schuld."