"doppelstab" 13. August 1980


Grundlage der Hexenverfolgung war der im Jahr 1486 durch die Dominikanermönche Jakob Sprenger (Basel) und Heinrich Institoris verfasste und herausgegebene "Hexenhammer", ein Lehrbuch für die Hexenverfolgung. Die Reformation konnte die fürchterliche Hatz keineswegs beenden. Der mittelalterliche Spuk dauerte bis Mitte des 18. Jahrhunderts - auch im Baselbiet.
 

Hexen im Baselbiet

Von Felix Feigenwinter


Die düstere Zeit der Hexenverfolgung, die vom 15. bis 18.Jahrhundert Mitteleuropa beherrschte, hat vor der Region Basel mitnichten Halt gemacht. Der sogenannte Hexenwahn, dem zwischen 1450 und 1750 insgesamt weit über eine Million Menschen zum Opfer gefallen sind, hat im Baselbiet mannigfaltige Spuren hinterlassen. 

Manche Ortsbezeichnungen erinnern heute noch daran. Zum Beispiel das "Hexenweglein" in den Wasserfallen oberhalb Reigoldswil, oder die "Hexmatt" in Pratteln. Das "Hexenweglein" wurde früher auch "Hurenweglein" genannt, weil sich dort - so will es der Vollksmund - die Mönche des Klosters Beinwil und die Nonnen vom Kloster Schönthal Stelldichein gegeben hätten... 1928 beschloss der Gemeinderat von Reigoldswil, den Namen "Hurenweglein" als unstatthaft zu erklären und den Pfad offiziell in "Hurtigweglein" abzuändern, aber die populäre Bezeichnung "Hexenweglein" ist bis heute geblieben. 

Was nun die "Hexmatt" in Pratteln betrifft, so weist diese Stätte nachweisbar auf die einstige Anwesenheit sogenannter Hexen hin. Heute ist die "Hexmatt" eine grosse Spielwiese zwischen den Tramstationen "Bahnhofstrasse" und "Güterbahnhof", wo manchmal Volksfeste stattfinden. Früher trafen sich dort Scharen von Beschwörungs-Tänzerinnen und -Tänzern, wie Dokumente aus der Zeit der Hexenverfolgung bezeugen. So soll 1549 eine Hexe aus Brittnau ihren Luzerner Richtern gestanden haben, zum Hexentanz "auf Brattelen matten" seien wohl hundert Hexen zusammengetroffen, darunter etliche aus dem Zürich- und Bernbiet. Ein anderer Bericht erwähnt "die Schwarzwaldhexen, die über den Rhein kamen, um auf der Pratteler Matten ihre Tänze abzuhalten".

Andererseits erfahren wir, dass "an diesem Orte die alten Einwohner von Pratteln, so oft die Pestseuche bey ihnen regierte", sich versammelten, um "die Furcht des bevorstehenden Todes mit öffentlichen Dänzen und Reihen zu vertreiben". Von solchen sachlichen Schilderungen ist es offenbar nur ein kleiner Schritt zu phantastischen Behauptungen. In den "Baselbieter Sagen" ist auch nachzulesen, wonach "in den abergläubischen Zeiten diejenige Matte, so unten an dem Dorfe gegen die Hard ligt, wegen dem Hexendanz sehr bekannt, als auf welcher noch in dem Jahre 1678 derjenige abgebrannte Kreis gezeiget wurde, auf welchem diese Nachtgespenster ihre Zusammenkunften sollen gehalten haben". Dieser Kreis verdorrten Grases sollen "unter den Tritten der Hexen versengt und verbrannt" worden sein. In einem späteren Bericht wird erklärt: "Es waren dies durch einen Bodenpilz bedingte ringförmige Verfärbung des Rasens, für deren Entstehung man die Schwarzwaldhexen verantwortlich macht..."

Verfluchter "Häxeplätz" bei Bretzwil 

Ähnliche Geschichten umranken den "Häxenplätz" bei Bretzwil, der unmittelbar an der Kantons- und Gemeindegrenze von Bretzwil/Nunningen auf über 800 Metern Höhe liegt. Obwohl sich dieses Areal im Besitz der Bürgergemeinde Bretzwil mitten im Wald befindet, erwies sich eine Bewaldung bisher als unmöglich. Da nützten auch alle gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Weisungen nichts. So wurde im Jahr 1927 vom Kantonsforstamt der erste Wirtschaftsplan über die Waldungen der Bürgergemeinde Bretzwil erstellt und dabei die Behebung der "grossen Blösse" des "Häxeplätzes" verordnet - vergeblich! In einem späteren Wirtschaftsplan aus den DreissigerJahren heisst es: "Der Häxeplatz ist eine stark vergraste, flachgründige, trockene Rütti mit wenigen krüppligen Buchenstockausschlägen und Föhren. Zukünftige Bewirtschaftung: Pflanzung von Mehlbeerbäumen, Linden, Saat von Schwarzföhren." Aber auch dazu kam es nie. So hat das Kantonsforstamt in den späteren Wirtschaftsplänen ab 1950 darauf verzichtet, weitere Vorschriften für die Bewirtschaftung des Häxeplätzes aufzustellen. Um 1960 sind dann zwar noch versuchsweise einige Schwarzföhren gepflanzt worden, eine Baumart, die als extrem trockenresistent gilt. Aber auch dieser Versuch ist gescheitert. 

Das Rätsel soll eine Sage lösen, die vom Bretzwiler Bauern Hans Hartmann-Sasse (1887 bis 1964) überliefert wurde, wie Daniel Scheidegger in den "Baselbieter Heimatblättern" Nr. 3 vom September 1980 festhält. Danach seien früher auf dem "Häxeplätz" Hexen verbrannt worden; zudem sei dort oben ein Galgen gestanden. - "Underim Bärg, uf der Sandebeni, sy e paar Tanne binander gstande, under dene syg über d'Häxe Gricht gholte worde. Wo der Hänker emol znacht über das Fäld gange isch, isch im e wyssi Frauegstalt erschine. Si het gegen im Häxeplätz uufe zeigt und gsait: 'Die Stell dört obe sell für alli Zyte verfluecht sy, es sell druff kei Baum, kei Struuch meh wachse und s Gras, wo wachst, sell e kei Tier frässe." - Im Jahr 1893 sei ein Trockenjahr gewesen. Weil das Futter rar geworden war, habe der Bauer eines nahen Hofes das Gras auf dem "Häxeplätz" gemäht und es seinem Vieh vorgesetzt - "aber kei Chue haigs agrüert." 

Alte und junge Hexen 

Verantwortlich gemacht wurden sogenannte Hexen, das heisst Frauen, manchmal auch Männer, denen man unheilvolle magische Kräfte zutraute, für Krankheit und Tod, Unfruchtbarkeit, schlechte Ernte und anderes Unglück. Neben Zeugnissen aus alten Chroniken und Protokollen erinnern Volkssagen und Märchen an die (keine 300 Jahre zurückliegende!) Zeit des Hexenwahns. Auch in den "Baselbieter Sagen" sind Beispiele erwähnt. In Tecknau war eine Frau, die im Wasenhaus wohnte, als Hexe verschrieen. Wenn Schulmädchen kleine Kinder hüten mussten, schärfte man ihnen ein: "Wenn d'Jörkene chunnt, so springet furt mit em Chinderwägeli!" In Allschwil erinnerte man sich an eine "beesartigi Frau", die anderen "gärn zleid gläbt het. Und do hets immer brennt, wenn die neime umme gsi isch. D'Lyt hän immer gsait.: 'Die chaibe Häx, die brennt is iberal d Sach zämme!'" Aus Oberwil ist u.a. die Erinnerung an eine "alte, böse Hexe" überliefert, die an der Lettengasse wohnte. "Wenn jemand dort sein Vieh vorübertrieb, murmelte sie immer etwas. Man hatte dann die grösste Mühe, die Tiere von der Stelle wegzubringen." Ebenfalls in Oberwil soll eine andere Hexe "viel Unheil über das Dorf gebracht" haben. "Man wollte sie töten. Als man sie aber an einen Baum binden wollte, hatte man statt der Frau nur einen Besenstiel in den Händen. Ein Kapuziner sagte, sie sei entwichen. Er ging ins Haus der Hexe und fand sie hinter dem Ofen. Dem Kapuziner gelang es auch, sie zu binden, und sie wurde dem Gericht übergeben."
Was mit solchen Frauen dann meistens geschah, schildert ein Rapport über eine jungen Hexe, die am 16. Juli 1550 verbrannt worden ist: 

"In dem eine halbe Stunde von Basel entfernten bischöflichen Dorfe Aesch wurde ein junges Weibsbild verbrannt, das eine Liebschaft mit einem Teufel namens Specillum gehabt hatte. Er hatte seine Zauberei ausgeübt, indem es Milch stahl und den Kühen grossen Schaden zufügte."

"Züpflehäx" in der Orismühle 

Eine Geistersage aus Seltisberg berichtet von der "Züpflehäx": Im Pferdestall der "Orismühle" sind jeden Morgen die Kopfhaare der Pferde geflochten gewesen. Da nach altem Volksglauben gezopfte Pferde Unheil verkünden, riet man dem Orismüller, er solle sich einen schwarzen Ziegenbock anschaffen und ihn über Nacht in den Pferdestall sperren. Der Müller befolgte den Rat, und die Zöpfe verschwanden tatsächlich. Das Fell des Ziegenbocks aber war jeden Morgen tropfnass und das Tier legte sich erschöpft auf die Wiese, um sich vom nächtlichen Kampf mit der "Züpflehäx" zu erholen. Eines Morgen war der Ziegenbock verschwunden. Seit jenem Tag gibt es auch keine Hexe mehr in der Orismühle.

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Zeitsprung:  Eine interessante zeitverschobene Ergänzung zu Felix Feigenwinters Artikel "Hexen im Baselbiet" aus dem Jahr 1980 liefert 33 Jahre später ein Bericht über die Wiederauferstehung eines uralten Brauchs in Reinach (BL). In der "Basler Zeitung" vom 18. Februar 2013 berichtet Thomas Immoos über dieses am Samstag, 16.2.2013, stattgefundene Ereignis:

"Viel Volk traf sich kurz vor 18.30 Uhr auf dem Ernst-Feigenwinter-Platz, um die von den Organisatoren rund um die Zunft zu Rebmessern angekündigte Rückkehr der Chäppelihäx  mitzuerleben. Damit lebt in Reinach ein alter Brauch wieder auf, der bis in die Sechzigerjahre begangen wurde. Wie Bürgermeisterpräsident  Peter Meier ausführte, handelt es sich nicht um einen Fasnachtsbrauch, sondern um einen Brauch aus alemannisch-heidnischer Zeit. Mit dem Funggefüür wurde der Winter vertrieben. Brennende Feuerrädli, die Felder und Wiesen runtergerollt wurden, sollten die Aecker fruchtbar machen. Damals fand der Brauch um die Frühlingssonnenwende am 21. März statt. In jüngerer Zeit, als der Brauch in Reinach noch gepflegt wurde, fand er jeweils am Samstag nach Aschermittwoch statt. Dieses Datum wurde nun ausgewählt, um den Brauch wiederaufleben zu lassen. Es war beachtlich, wie viel Aufwand betrieben wurde, um der Chäppelihäx, zu der sich bald weitere Hexen gesellten, einen würdigen Empfang zu bereiten. Treicheln donnerten und Rären knarrten. Dutzende von Chienbäse und Fackeln standen bereit, damit sie kurz vor dem Umnzug angezündet werden konnten. Auf dem Platz stand der Feuerwagen, um den herum das ganze Treiben seinen Anfang nahm. Schon schwebte die Chäppelihäx von oben heran, zwar nicht auf dem Hexenbesen, sondern auf der Hebebühne eines Feuerwehrfahrzeugs. Die Hexe wurde mit dem Hexenlied begrüsst, dessen Refrain lautet: 'Eins, zwäi, drey, vier, fünf, sächs, mir danze mit der Chäppelihäx, alli sin hüt unterwägs und danze mit der Chäppelihäx'. Wild gestikulierend betrat sie schliesslich den Platz, mit tosendem Applaus von Jung und Alt und mit Rären und Treichelndonnern begrüsst. Bald schon tauchte auch der Teufel auf, der Herr über das Feuer. Das furchterregende Paar Chäppelihäx und Teufel ist durchaus in der Lage, dem Winter den Garaus zu machen. Abwechselnd, dann wieder gemeinsam vollführten die beiden einen wilden Feuertanz."