Rubrik KOMMENTARE


doppelstab“ 8. Januar 1974 – Vorschläge zum Stehenlassen der alten St. Albanbrücke in Basel kurz vor deren Abbruch

 

Die St. Albanbrücke vor dem Abbruch

Von Felix Feigenwinter

 

"Warum wenn schon kein Geld vorhanden, wollen Sie diese Brücke abreissen? Diese Unkosten könnten eingespart werden. Machen Sie doch eine Oase für die Anwohner, eine Grünfläche mit Rasen, Sträuchern, Kinderspielplätzen und Tennisplätzen“, so schrieb ein anteilnehmender Regio-Bewohner aus dem basellandschaftlichen Oberwil dem Vorsteher des baselstädtischen Baudepartementes, Max Wullschleger. Des Oberwiler Briefschreibers schmeichelnder Vorschlag: Die zu rettende Brücke möge künftig „Max Wullschleger-Erholungsbrücke“ heissen.
 

Der mit solchen unbequemen Vorschuss-Lorbeeren bedachte Departementsvorsteher antwortete ebenso schnell wie unmissverständlich: Seine Vorstellungen über die mögliche Gestaltung dieser ihrer Funktion als Verkehrsträger enthobenen Brücke würden sich mit den Realitäten nicht vereinbaren, gab er dem Mann aus Oberwil zu verstehen. Max Wullschleger nannte als Hauptgründe: Die ins Auge gefasste Erweiterung des Solitude-Parks am Kleinbasler Ufer sowie die Absicht der GGG, am Grossbasler Ufer eine neuzeitliche Überbauung zu verwirklichen.

Die gleichen Argumente gegen das Stehenlassen der „Zitterbrücke“ hatte man an einer Presseorientierung des Baudepartementes zu hören bekommen. Zwar waren nicht alle der Anwesenden sofort bereit, sich mit den offiziellen Erklärungen zufriedenzugeben. Zu sehr roch es nach bequemer Verschwendung, ein einmal konzipiertes städtebauliches Projekt trotz veränderten Voraussetzungen „durchzubüffeln“. Müssen nicht auch anderswo grosszügige Ideen dem schmalen Staatsbudget geopfert werden? Und warum sollten eine moderne Überbauung einerseits und ein unter einem autofreien Brückenkopf durchführender Spazierweg andererseits nicht ideal mit einer „Erholungs- und Spielbrücke“ koordiniert werden können?
 

Derartige Vorstellungen wurden aber im Keime erstickt durch den Hinweis aus den kompetenten Reihen des Baudepartementes, die Tragfähigkeit der „Zitterbrücke“ sei äusserst beschränkt: Pro Quadratmeter dürfe sie mit nicht mehr als mit 300 Kilo belastet werden. Das Anpflanzen von Sträuchern oder Bäumen komme nicht in Frage, höchstens eine mit Maierysli sei denkbar, wurde den verdutzten Laien überlegen-lächelnd versichert. Nicht zuletzt dieses Argument von Fachleuten war's, das auch mir als ursprünglichem Gegner eines Abbruchs den Wind aus den Segeln des Widerstands genommen hatte.

Seit nun schon bald drei Wochen ist die vom Abbruch bedrohte Brücke vom Autoverkehr befreit, und nach einigen besinnlichen Spaziergängen auf dem köstlich ruhig gewordenen Rheinübergang muss ich bekennen, dass ich heute eine „nur“ mit Maierysli, Veilchen usw. bepflanzte und mit Kinderspielplätzen bereicherte Spazierbrücke alles andere als lächerlich – sondern ganz im Gegenteil als sinnvoll – empfinden würde.
 

Inzwischen hat ja nun auch der Konstrukteur dieser Brücke, der Ingenieur Jakob Beusch, öffentlich sehr glaubwürdig erklärt, dass die vom Baudepartement behauptete Belastbarkeits-Grenze gar nicht stimme, und der Basler Architekt Ferenc Füzesi legt aufgrund dieses fachmännischen Urteils nun sogar ein Projekt vor, das eine Überbauung der St. Albanbrücke mit einer zum Teil dreistöckigen Wohnsiedlung vorsieht.
 

Ob Meirysli oder Wohnungen – beides sind (übrigens offenbar koordinierbare) Alternativ-Vorschläge, die den Schluss nahelegen, dass die Argumente gegen das Stehenlassen der St. Albanbrücke zu wenig überdacht worden sind.