"doppelstab" 10. Oktober 1977

 

Schon heute ist gewiss, dass die "Laufentaler Initiative", zu der bis zum 19. November Unterschriften gesammelt werden können, zustandekommt. "Wollt Ihr das Anschlussverfahren des Amtsbezirks Laufen an einen benachbarten Kanton einleiten?" So heisst die Frage, welche die Laufentaler Stimmberechtigten in einer Grundsatzabstimmung beantworten müssen. Falls dieser Urnengang über die Initiative eine Ja-Mehrheit ergeben sollte, könnten die Laufentaler in zwei aufeinanderfolgenden Abstimmungen die Wahl des Kantons vornehmen, mit welchem dann die Bezirkskommission Laufental die Anschlussverhandlungen führen müsste. Nur falls die Initiative verworfen würde oder die Anschlussverhandlungen scheiterten, verbliebe das Laufental im Kanton Bern. In dieser Ausgangslage interessieren verschiedene Fragen. Zum Beispiel:
 

Wie denken die Laufentaler politisch?

Von Felix Feigenwinter

Im "doppelstab" Nr. 165 vom 1. August dieses Jahres ist ausführlich dargelegt worden, auf welchen historischen Zusammenhängen die gerade in jüngsten Zeit wieder offenbarten Sympathien zwischen dem Laufental und dem Kanton Basel-Stadt gründen. Die durch die frühere, jahrhundertelange Zugehörigkeit des Laufentals zum Fürstbustum Basel entstandenen kulturellen Gemeinsamkeiten sind durch die "erst" seit 162 Jahren bestehende politische Verbindung mit dem Kanton Bern kaum verwischt worden. Entscheidender aber ist, dass das Laufental mit dem Stadtkanton Basel auch geographisch und wirtschaftlich eng zusammenhängt. Besondere, konkrete Gründe, warum ein guter Teil der Laufentaler Bevölkerung einer politischen Annäherung an den Kanton Basel-Stadt (zum Teil) wohlwollend gegenübersteht, verrät das Ergebnis der von der Bezirkskommission Laufental in Auftrag gegebenen Repräsentativ-Umfrage in allen 13 Laufentaler Gemeinden. Interessant ist zum Beispiel die Einschätzung der Laufentaler ihrer Einfluss-Möglichkeiten in der Kantonalpolitik der zur Diskussion stehenden Kantone im Falle eines Anschlusses. Die Untersuchung über das Interesse der Laufentaler an den bestehenden politischen Parteien zeigt jedoch, dass die Parteiinteressen bei der Kantonswahl nicht im Vordergrund stehen dürf(t)en.

Initiative kommt zustande

Bis zum 19. November 1977 muss ein Fünftel der Stimmberechtigten des Laufentals eine Initiative einreichen, falls das Anschlussverfahren des Amtsbezirks Laufen an einen benachbarten Kanton eingeleitet werden soll. Die Unterschriftensammlung für diese UInitiative läuft auf Hochtouren. Schon heute steht fest, dass sie zustandekommt: Über 3500 Unterschriften sind bereits gesammelt. Nötig für das Zustandekommen sind 1800 Unterschriften. Die Initiative ist also "unter Dach"; um ein möglichst breites Interesse zu dokumentieren, wird bis Mitte November weitergesammelt.

Umso mehr interessiert jetzt die Beurteilung der vier von der Bezirkskommission in ihrem "Abschliessenden Bericht" vom 17. Mai 1977 dargelegten vier Lösungs-Möglichkeiten durch die Laufentaler Bevölkerung. Die vier Varianten heissen: Verbleib im Kanton Bern - oder Anschluss an den Kanton Basel-Stadt oder an einen der beiden Nachbarkantone Baselland beziehungsweise Solothurn.

CVPler liebäugeln mit Basel-Stadt 

Je länger die Unterschriftensammlung der Initiative betreffend die Einleitung eines Anschlussverfahrens an einen Nachbarkanton dauert, umso lebhafter äussern sich die Prognostiker. Spekulationen werden angestellt - zum Beispiel über die Strategie der stärksten politischen Kraft im Laufental, der CVP. Über deren Absichten mutmasste Peter Knechtli letzte Woche in der "Tat":

"Ihre Zuneigung zu Basel-Stadt äussern CVP-Politiker eher als andere. Denn sie kalkulieren: Die zu 82 Prozent katholischen Laufentaler stellen im Grossen Rat des 1-Millionen-Einwohner-Kantons Bern bloss drei Vertreter (davon zwei Christdemokraten). Im kleineren Basel aber stünden der Enklave etwa sieben Parlamentarier zu - darunter sicher fünf bis sechs CVPler".

Eine solche Interpretation parteipolitischer Interessen sollte nicht mit der Meinungstendenz in der Gesamtbevölkerung verwechselt werden. Gerade die repräsentative "Meinungsumfrage Laufental", die vor rund einem Jahr das Zürcher Markt- und Meinungsforschungsinstitut Isopublik in sämtlichen 13 Laufentaler Gemeinden durchführte, förderte eine grosse Zahl differenzierter Gründe zutage, die einen Entscheid für einen Verbleib im Kanton Bern oder einen Anschluss beeinflussen könnten. Im politischen Bereich könnte beispielsweise die allgemeinverbindliche Frage, welcher der vier Kantone den Laufentalern die grösste Chance für einen Regierungssitz lässt, noch mehr interessieren als das Problem der Erhöhung des Einflusses der stärksten Laufentaler Partei CVP in der Kantonalpolitik. Bei den letzten Berner Grossratswahlen 1974 errang die CVP 53,6 Prozent der Stimmen - während die im Laufental weniger starke Freisinnig-demokratische Partei 37,8 Prozernt und die Sozialdemokratische Partei nur 8,6 Prozent der Stimmen erhielten. Die von der Bezirkskommission veranlasste Meinungsumfragen durch die Isopublic hat in diesem Zusammenhang ein aufschlussreiches Ergebnis gezeitigt.

34 Prozent ohne Partei-Sympathien

Dass eine beachtliche Zahl von Laufentalern an parteipolitischer Machtpolitik wenig bis nicht interessiert ist, erhellt nämlich folgende Tatsache: 24 Prozent aller Befragten haben ausdrücklich angegeben, für keine der bestehenden politischen Parteien "besondere Sympathien" zu haben, und weitere zehn Prozent sind dieser Frage mit der Antwort "weiss nicht" bgegnet (oder, möglicherweise, zum Teil auch ausgewichen). So scheinen also immerhin 34 Prozent aller Befragten keine Partei ausdrücklich zu bevorzugen. 31 Prozent haben die CVP als "am sympathischsten" bezeichnet, 17 Prozent die FdP, zwölf Prozent die SP - während sich die übrigen Prozente auf den Politischen Zirkel Laufental (zwei Prozent), auf die Schweizerische Volkspartei (zwei Prozent), auf den Landesring der Unabhängigen (ein Prozent) und andere (ein Prozent) verteilen. Anders wirkt das Bild natürlich dann, wenn jene 34 Prozent der Befragten, welche die Erkundigung nach der Partei-Sympathie mit "keine" oder "weiss nicht" berantwortet haben, ausgeschieden werden. Nur auf die Befragten mit Partei-Sympathien bezogen, ergibt die Umfrage 47 Prozent für die CVP, 26 Prozent für die FdP und 19 Prozent für die SP - während die übrigen kleinen Parteien oder Gruppierungen mit je zwei Prozent registriert sind.

Die Diskrepanz der Höhe und des Verhältnisses der prozentualen Stimmenanteile von CVP, FdP und SP zwischen den Ergebnissen der Grossratswahlen und der Repräsentativ-Umfrage der Isopublik mag auf den ersten Blick überraschen. Sie hat natürlich verschiedene Ursachen. Zu berücksichtigen sind nicht nur die verschiedenen Zeitpunkte der beiden (rund zwei Jahre auseinanderliegenden) Erhebungen, sondern vor allem auch, dass die Meinungsumfrage nicht nur stimmberechtigte, sondern ausserdem jüngere Personen ab 16 Jahren erfasste - Jahrgänge, die allerdings in nächster Zukunft ebenfalls in den Kreis der Stimmberechtigten aufgenommen werden.

Ferner sind nicht alle Partei-Sympathisanten automatisch auch regelmässige Urnengänger - und andersherum sind jene 34 Prozent, die keine besondere Sympathien zu einer Partei bekannten, selbstverständlich nicht durchwegs Stimm- und Wahlabstinenten.

So wäre es gewiss übereilt, aufgrund der vorliegenden Ergebnisse der Repräsentativ-Umfrage genaue Prognosen zum Ausgang der Laufentaler Volksabstimmung über den Anschluss an einen anderen Kanton bzw. Verbleib bei Bern anstellen zu wollen.

Chance für Regierungssitz?

Zwar steht Basel-Stadt bei der Einschätzung der Chance für einen Sitz in der Kantonsregierung im Falle eines Kantonswechsels gegenüber von Baselland und Solothurn mit Abstand an der Spitze - aber von einem "Ideal-Kanton" würden sich die Laufentaler diese Chance laut Meinungsumfrage doch noch grösser erhoffen...

Am günstigsten von den drei Alternativ-Kantonen BS, BL und SO hat Basel-Stadt nach Meinung der Laufentaler auch bezüglich der Frage des "Gewichts in der Schweiz" (als Kanton) abgeschnitten - wobei die Befragten das "Gewicht" des Kantons Bern in der Eidgenossenschaft allerdings noch als bedeutend grösser einschätzen. Merkwürdig in diesem Zusammenhang allerdings ist, dass die Laufentaler vom "Ideal-Kanton" laut Meinungsumfrage gar nicht so viel "Gewicht" wünschen, wie sie dem Kanton Bern nachsagen. Insofern würde auch Baselland noch ungefähr den Laufentaler Vorstellungen entsprechen, während Solothurn in diesem Punkt entschieden "abfällt".

Nicht schlecht entspricht Basel-Stadt der Wunschvorstellung der Laufentaler bezüglich der Eigenschaft "fördert Neues" - wobei hier der Kanton Solothurn an zweiter, der Kanton Baselland an dritter und Bern erst an vierter Stelle stehen. Auch bezüglich des Prädikats "aktiv" schneidet Basel-Stadt am vorteilhaftesten ab - gefolgt von Bern, Solothurn und Baselland. Ungünstig dagegen würde ein Anschluss an Basel-Stadt hinsichtlich der notwendigen Anpassung ans Laufental beurteilt werden; idealer wird diesbezüglich ein Verbleib bei Bern oder ein Anschluss an Baselland eingeschätzt, während Solothurn in diesem Punkt leicht günstiger beurteilt wird als der Stadtkanton. Dass dieser schliesslich den Wunschvorstellungen von einem "ländlichen Kanton" keineswegs entspricht, mag weiter nicht erstaunen. Hier schneidet der Kanton Basel-Landschaft doch beträchtlich besser ab, wenngleich auch er den Laufentaler als zu wenig ländlich erscheint. Bern und Solothurn dagegen schätzen die Laufentaler sogar noch etwas ländlicher ein als den von ihnen skizzierten imaginären "Ideal-Kanton". 

___________________________________________

II Geforderte Laufentaler

III Grossratswahlen als Test

IV Wen wählt die Braut?