"doppelstab" 20. März 1978

Am 26. Februar dieses Jahres haben die Laufentaler mit 2655 gegen 668 Stimmen der Verfassung des Kantons Bern in seinen neuen Grenzen zugestimmt - und damit auch die Regelung der Stellung des Laufentals im Falle eines Verbleibs im Kanton Bern. Schon am 18. Juni, also in knapp drei Monaten, steht im Laufental der nächste wichtige Abstimmungstermin im Zusammenhang mit der Lösung der "Laufental-Frage" bevor. Während der kantonale Urnengang von Ende Februar keine hohen Wellen warf - die drei grossen Laufental-Parteien hatten die Ja-Parole ausgegeben - , tobt der regionale Abstimmungskampf im Hinblick auf den 18.Juni bereits sehr heftig. Nervosität und Verwirrung kennzeichnen zum Teil die Auseinandersetzung. Für die Laufentaler steht Wesentliches auf dem Spiel.


Geforderte Laufentaler

Von Felix Feigenwinter

Noch im Sommer des vergangenen Jahres wurde im "doppelstab" darüber berichtet, mit welcher "nüchterner Deutschschweizer Gründlichkeit" die durch das Jura-Plebiszit vom 23. Juni 1974 im Laufental entstandenen Probleme durch die dafür eingesetzte Laufentaler Bezirkskommission untersucht und aufgezeigt worden sind. Es gehe keineswegs so hitzig zu wie bei den Auseinandersetzungen um den neuen Kanton Jura im französischsprachigen Berner Jura, hatte ich damals geschrieben.

Inzwischen sind sieben Moinate durchs Land gezogen, und die Stimmung im Laufental hat sich nun doch ziemlich erhitzt. Nicht leidenschaftlichem Drang, sondern dem von aussen her entstandenen Zwang veränderter Umstände gehorchend hatte man begonnen, einen befriedigenden Status in der neuen Situation zu suchen. Aber in den vergangenen Wochen ist man im Trubel emotionsgeladener Auseinandersetzungen gelandet. Das ist sogar begreiflich: Denn am 18. Juni werden die bernischen Regio-Bewohner eine für ihre Zukunft zwar noch nicht unbedingt absolut entscheidende, aber den Kurs doch schon weitgehend bestimmende Weiche stellen müssen. Konkret werden die Laufentaler Stimmenden darüber beschliessen müssen, ob sie "das Anschlussverfahren des Amtsbezirks Laufen en einen benachbarten Kanton einleiten" wollen. Schon die Tatsache an sich ist bemerkenswert, dass die Laufentaler dieses Mal ganz allein einen Entscheid herbeiführen und verantworten müssen, der ausser ihre eigene Entwicklung die Zukunft sowohlm des grossen Kantons Bern als auch der Region Basel, zu welcher das Laufental geographisch und wirtschaftlich gehört, wesentlich beeinflussen kann. Das im Laufental da und dort spürbare "Lampenfieber" ist also berechtigt. Dazu kommen weitere Umstände, die wenig geeignet sind, einen nüchternen Abstimmungskampf herbeizuführen. 

"Ja" hiesse noch nicht "Los von Bern"...

Formell würde diese Abstimmung, falls sich eine Ja-Mehrheit herausstellen sollte, noch kein endgültiges "Nein zum Verbleib des Kantons Bern" ergeben. Ein definitiver Entscheid, ob eine weitere Zugehörigkeit zu Bern einem Anschluss an einen der drei Kantone Solothurn, Baselland oder Basel-Stadt vorgezogen wird, würde nämlich in einer späteren Abstzimmung gefällt. Konkret würde nach einem Ja-Entscheid am 18. Juni zuerst in einem weiteren Urnengang zu befinden sein, mit welchem Kanton Anschlussverhandlungen durchgeführt werden sollten. In einer zweiten Abstimmung wären die beiden Kantone gegenüberzustellen, die in der ersten Volksbefragung am meisten Stimmen erhalten hätten. Und erst eine dritte Abstimmung würde über den Anschluss an den benachbarten Kanton oder den Verbleib beim Kanton Bern endgültig Klarheit verschaffen.

...aber ein "Nein" wäre absolut

Ein "Ja" am 18. Juni würde also den wichtigen Entscheid, ob das Laufental in Zukunft bei Bern bleiben soll oder nicht, noch um einige Zeitn aufschieben und vorläufig alle Anschluss-Möglichkeiten offenhalten. Einer solche "Frist zur Besinnung" mag auch jenen einleuchten, die eine Änderung nicht wie die "Los von Bern"-Befürworter als Chance zum Fortschritt, sondern eher als notwendiges Übel betrachten, dabei aber ein "Verbleib bei Bern" auch nicht als ein im vornherein feststehendes Glaubensbekenntnis verstanden haben möchten.
 

Anders natürlich die eingeschworenen Berntreuen. Sie dringen auf ein klares "Nein" schon am 18. Juni. Eine solche Ablehnung des Volksbegehrens, das übrigens von 61,3 Prozent der im Amtsbezirk Laufen Stimmberechtigten (nämlich von 4960 Laufentalern) unterzeichnet worden ist, würde dann allerdings jede weitere Anschluss-Diskussion mit Solothurn, Baselland und Basel-Stadt erübrigen.

Bernische Ungeduld provoziert Nervosität

Die Position des Kantons Bern in dieser Auseinandersetzung ist eine andere als jene der drei möglichen Anschluss-Kantone. Bern hat etwas zu verlieren, während in Solothurn, Baselland und Basel-Stadt jene Generosität den Stil der Diskussion (und des Buhlens) prägt, der jenen leichtfällt, die vor allem etwas zu gewinnen haben. Die derbe Ungeduld, vermischt mit verletztem "Besitzerstolz", die in der vielzitierten Berner Grossratssitzung von anfangs Februar zum Ausdruck kam, legt Zeugnis davon ab. Die Fraktionssprecher der drei grossen bernischen Parteien SP, SVP und FDP (die sich mit den im Laufental tonangebenden Parteien CVP, FDP und SP nicht sehr decken) haben im Kantonsparlament einen Ton angeschlagen, der in weiten Kreisen des Laufentals, vor allem aber in den Reihen der CVP, Empörung hervorgerufen hat. Der CVP-Parlamentarier Friedrich Hof protestierte gegen die "Erpressung", wie er es nannte. Ton und Argumentation der Fraktionssprecher im Kantonsparlament haben einerseits jener Ansicht Auftrieb verliehen, wonach der Respekt und das Verständnis des grossen Kantons Bern für die Anliegen des kleinen Laufentals doch sehr gering sei. Die Befürworter einer Trennung von Bern zugunsten eines Anschlusses an einen die Interessen der Laufentaler besser berücksichtigenden kleineren Kantons dürften sich jetzt ins Fäustchen lachen.

Gelassenheit in den Anschluss-Kantonen

Verglichen mit der Forderung aus Bern, wonach die Laufentaler am 18. Juni "ernst machen" sollen, hören sich die Stellungnahmen aus den Anschluss-Kantonen gönnerhaft an. Deren dezente Zurückhalrtung ist nicht etwa Ausdruck von Gleichgültigkeit, sondern sie ist gepaart mit behutsamer Anteilnahme. Die Gelassenheit, mit welcher diese vorgetragen wird, provoziert engagierte Verfechter eines Verbleibs bei Bern. Der Charme der Generosität ist verführerisch - etwa wenn der basellandschaftliche Regierungsrat den Laufentalern empfiehlt, dass ihr Entscheid nicht bloss das Ergebnis kühler Berechnungen sein sollte: "Früher oder später", so der grossmütige Rat der Basellandschäftler an die Laufentaler Freunde, "käme die Ernüchterung, die Enttäuschung und das Gefühl der Entwurzelung". Sollten die Laufentaler aber endgültig aus dem Kanton Bern ausscheiden und Baselbieter werden wollen, würde die Baselbieter Regierung den Anschluss begrüssen. In ähnlich bezirzender diplomatischer Kunst übt man sich in Solothurn und Basel-Stadt.