Entgegen von Gerüchten hatte der als "militärdienstuntauglich" befundene Felix Feigenwinter gegenüber der Schweizer Armee journalistisch keine Berührungsängste. Er besuchte das Gefechtsschiessen eines Dragoner-Schwadrons und berichtete darüber am 5. November 1963 in den "Basler Nachrichten":

Gefechtsschüsse über Kuhfladen

Von Felix Feigenwinter

"In Deckung!", ruft der Oberleutnant. Wir werfen uns hinter den Handgranaten-Schützen aufs Gras. Noch während die Detonationen der Handgranaten durch den Nebel donnern, springt unser Photograph auf und zeigt vorwurfsvoll auf den saftigen Kuhfladen am Knie. Im Chilchzimmer am Belchen, wo die Schwadron 14 der Dragoner-Abteilung 5 des Dragoner-Regimentes 2 ein Gefechtsschiessen abhält, haben eben zuvor Kühe geweidet.

Dragoner als Infanteristen

"Der Feind hat unsere Landesgrenze im Nordwesten bei Basel und Rheinfelden überschritten", orientiert der Hauptmann. "Die Dragoner-Schwadron 14 muss die Achse Belchen-Schönthal sperren." Die Pferde der Dragoner-Schwadron 14 sind im solothurnischen Dorf Härkingen geblieben, wo die Schwadron während ihres Wiederholungskurses Quartier hatte. Die 57 im Chilchzimmer in feldmarschmässigem Tenue im Einsatz stehenden Dragoner haben sich in Infanteristen verwandelt. Sie springen, getarnt durch künstlichen und richtigen Nebel, aus dem Wald hervor. Vom Berg herunter kracht Maschinengewehrfeuer. Der Vorstoss des angreifenden Zuges sollte rascher vor sich gehen, kommentiert der Hauptmann; unter der Deckung des MG-Feuers haben die vordringenden Soldaten keine feindliche Aggression zu erwarten. Durch den Nebel dringt die Sonne. Nicht alle Soldaten verstehen es, den Schatten, den die umliegenden Berge werfen, als Deckung auszunützen. Das Sturmgewehr eines Dragoners blitzt im Sonnenlicht. Zum Glück besteht der Feind nur aus im Gras steckenden Kartonscheiben. Der Nebel wird wieder dichter; der Feind ist unsichtbar geworden.

Die Stimme des Oberleutnants: "Herr Hauptmann, wollen wir abbrechen?" Der Vorstoss wird eingestellt, bis sich der Nebel verflüchtigt hat. Das würde im Ernstfall ebenso sein, denn auch der Feind ist durch den Nebel behindert. Mit der Unterstützung eines Feuerzugs, der hinter einem nahen Hügel Stellung bezogen hat, gelingt dem vorstossenden Zug schliesslich die Vernichtung des Feindes.
 

Zu wenig wie Indianer gedacht
 

Die Dragoner besammeln sich zur Übungskritik. Der Dreiangel, der an einem Hosenbein eines Soldaten prangt, ist nach dem Gefechtsabbruch entstanden. ("Ich wollte über einen Stacheldraht-Zaun klettern", gesteht der Betroffene.) Der Hauptmann und der Oberlautnant erklären, das Gefecht habe einen guten Eindruck hinterlassen. Am Anfang sei der Einsatz ein wenig harzig gewesen, ähnlich wie bei einem Rennpferd, das noch nicht warmgelaufen sei. "Bei einem Vortstoss muss der Soldat wie ein Indianer denken und nach dem Grundsatz handeln: Feststellen, festhalten, forsch und flankiert angreifen."

Gemäss Orientierungszettel wurde das Gefechtsschiessen zur Schulung der Befehlsgebung, der Verbindungen und des Waffeneinsatzes durchgeführt. Das anchliessende Mittagessen inmitten von muhenden Kühen und fröhlich im Bergwind flatternder Wäsche als idyllische Kulisse erwies aber, dass ein Gefechtsschiessen durchaus auch appetitanregend sein kann.