Copyright: Museum im Lagerhaus, St. Gallen*
 
 * Das Selbstporträt mit zweitem Gesicht, das Adelheid Duvanel  (damals noch Adelheid Feigenwinter) im Jahr 1960 gemalt hat, war in der Ausstellung "Wände, dünn wie Haut"  im Museum Im Lagerhaus in St. Gallen zu sehen.
Diese Ausstellung (1. September bis 22. November 2009) würdigte das künstlerische Lebenswerk von Adelheid Duvanel in einer umfassenden Dokumentation. Beachtenswert war auch der Ausstellungskatalog mit der subtilen Analyse des Werks und Lebens der Künstlerin von Dr. Monika Jagfeld. 
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Notizen zu Adelheid Duvanels Leben und Schreiben
 
"Ich schreibe vor allem in den Nächten, wenn mein Mann das grosse Instrument, das man Flügel heisst, zum Leben erweckt und zum äussersten reizt. Ich stelle mir vor, wie er es streichelt und kneift und peitscht; es stöhnt und schlägt aus, weil er ihm seinen Rhythmus aufzwingt. Erst wenn es losheult, lockert er den Griff; ich höre den Galopp, das Atmen beider, stundenlang dauert dieser Ritt. Ich sitze am Tisch. Die Bilder, die mein Mann gemalt hat, hängen an den Wänden wie Spiegel; sie durchleuchten die Wirklichkeit, in der ich gefangen bin. Jedes Wort, das ich nun aufschreibe, ist ein Zeichen, das ich mühsam in mir suche und aus mir heraushole. Ich schaffe meine Erklärungen, die ich nicht schuldig bleiben möchte."
 
(Adelheid Duvanel in "Meine Erklärungen", "Schweizerischer Beobachter", 31.8.1980)
 
 
Eine für sie bezeichnende Situation berichtet ihr Bruder Felix Feigenwinter:
 
Adelheid wollte sich einmal auf Arbeitssuche für eine Aushilfsstelle bei einer Basler Buchhandlung bewerben. Als sie dort dann einen Luchterhand-Prospekt mit einem Bild von sich erblickte, das ihr wohl die ganze Diskrepanz zwischen ihrer sozialen Situation und ihrer schriftstellerischen Bedeutung vor Augen führte, war sie dermassen erschrocken, dass sie den Laden verliess und auf die Bewerbung verzichtete.
 
 
Gegen Ende ihres Lebens schreibt sie (an die Zürcher Wochen-Zeitung WoZ):
 
"Ich quäle mich sehr mit den Texten, streiche mehr durch, als ich stehen lasse; es wimmelt von Korrekturen, Sternchen, Kreuzen, vollen und leeren kleinen Kreisen, kleinen Quadraten - dass es aus diesem 'Salat' zuletzt eine mehr oder weniger verständliche Erzählung gibt, erstaunt mich immer wieder." (WoZ 1994)
 
 
In den Monaten vor ihrem Tod (8. Juli 1996) war sie sehr krank, hatte heftige Schmerzen. So auch an ihrer letzten Basler Lesung in der Universitätsbibliothek, angezeigt mit: "ca." 18.4.96, vor der sie ihrem Bruder Felix schrieb:
 
"...ich zweifle stark an mir! Bin ich 'ca.' Adelheid Duvanel, lese ich 'ca.' am 14. und 'ca.' um 20.15 Uhr? In grosser Verwirrung 'ca.' Adelheid".
 
 
(aus dem Buch "Scheherezadel. Eine Basler Autorin wird entdeckt" von Gudrun S. Krayfuss, 1998 Verlag Isishaus, mit einem Vorwort von Felix Feigenwinter)
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POSTUME ANERKENNUNG DER MALERIN ADELHEID DUVANEL 

Leserbrief von Felix Feigenwinter,  erschienen am 3. Juni 2016 in der bz / nordwestschweiz, betr.  Artikel von Martina Kuoni  „Wenn der Alltag zum Ungeheuer wird“  in der  „Basellandschaftlichen Zeitung“  vom 21. Mai 2016.

Martina Kuoni sei gedankt für ihr aufmerksames und subtiles Gedenken anlässlich des 80. Geburtstags der in Pratteln und Liestal aufgewachsenen Basler Luchterhand-Autorin Adelheid Duvanel (1936-1996). Ergänzend sei daran erinnert, dass die ebenso aussenseiterische wie bemerkenswerte Schriftstellerin zuerst im Ausland etablierte Anerkennung fand (1984 mit dem Kranichsteiner Literaturpreis), bevor sie in ihrem Heimatland entsprechend geehrt wurde (1987 mit dem Basler Literaturpreis, 1988 mit dem Gesamtwerkspreis der Schweizer Schillerstiftung und 1995 mit dem Gastpreis der Stadt Bern). In seinen Büchern «Die tintenblauen Eidgenossen» (2001) und «Das Kalb vor der Gotthardpost» (2012) reflektierte der Literaturprofessor Peter von Matt postum über die eigenwilligen Geschichten dieser besonderen Repräsentantin der Schweizer Literatur aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Malerin fand Adelheid Duvanel erst nach ihrem Tod öffentliche Beachtung, zuerst 1997 in einer Gedenkausstellung im Kunstmuseum Solothurn im Rahmen der damaligen Literaturtage, später dann 2009 in der Ausstellung «WÄNDE dünn WIE HAUT», einer umfassenden Präsentation des zeichnerischen und malerischen Werks der Künstlerin im «Museum im Lagerhaus» in St. Gallen, wo die Museumsleiterin Dr. Monika Jagfeld das in Basel ignorierte Werk kompetent analysierte.

Felix Feigenwinter, Basel

 

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„Délai de grâce“

Beglückende Überraschung anfangs März 2018 dank einer Postsendung aus Frankreich: Die Übersetzerin Catherine Fagnot aus Nancy schickt mir das soeben von der belgischen Edition Vies Parallèles, Brüssel, herausgegebene Buch „Délai de grâce“ mit von Frau Fagnot in die französische Sprache übersetzten Texten meiner Schwester Adelheid Duvanel, eine Geschichtensammlung, die 1991 unter dem Titel „Gnadenfrist“ bei Luchterhand, Frankfurt am Main, in der deutschen Originalfassung erschienen ist und nun, 27 Jahre später,  im französischen Sprachraum veröffentlicht wird. Grund zur Freude und Dankbarkeit!

Liebe Frau Fagnot,

welch‘ schönes Erlebnis, als ich in meinem Postfach das Paket aus Nancy vorfand und Ihren freundlichen Brief und das neue Buch mit Adelheid Duvanels „Gnadenfrist“-Texten in französischer Sprache in Händen halten durfte! Für mich überraschend, wie schnell dieses Projekt nun verwirklicht werden konnte. Glücklicherweise konnten die Fragen betreffend das Copyright offenbar geklärt werden, was mich natürlich ebenfalls freut.

Für die Zusendung dieser wunderbaren Gabe danke ich Ihnen sehr, ebenso für Ihre nach meiner Einschätzung äusserst kompetente, einfühlsame Übersetzung der einundvierzig Kurzgeschichten meiner Schwester. Auch Cover und Format gefallen mir, die gesamte grafische Gestaltung ist exzellent. Ein gediegenes Buch, ein Gesamtkunstwerk!

Meine Freude über Ihr Geschenk überstrahlt momentan meine Bedrängnis wegen meiner gesundheitlichen Schwierigkeiten (Operation, zermürbende Untersuchungen, endlos scheinende Therapien); auch dafür bin ich Ihnen dankbar.

Mit einem herzlichen Gruss aus Basel

Felix Feigenwinter, 5. März 2018

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